Made in Vietnam


Er strich immer wieder die Rillen seiner Teekanne entlang. Vorwärts, rückwärts. Als stellvertretender CIO der Sick AG war er davon ausgegangen nach Schillers galantem Abgang seinen Posten zu übernehmen. Schiller hatte sich beim Vorstand unbedingt für ihn einsetzen wollen. Vor einigen Monaten hörte er im Vorbeigehen Fetzen eines Gespräches zwischen seinem zwei Jahre jüngeren Kollegen Behrens und Schiller. Sie sprachen auf dem Flur -jeweils mit einer Teetasse in der Hand- schwärmerisch über die japanische Teekultur.
Daraufhin hatte er sich eine japanische Teekanne gekauft. Allerdings - da er kein Teetrinker war- eine Kanne "Made in Vietnam". Sie stand seitdem immer neben seiner Tastatur. Er trank meistens nur eine Tasse, obwohl die Kanne ein Fassungsvolumen von 0,9 Litern hatte. Seit heute wusste er es. Behrens würde der neue CIO der Sick AG sein. Noch zwei Mal strich er die gusseisernen Rillen entlang. Dann nahm er die Kanne samt Tee und warf sie in den Müll. Auf dem Gusseisen ließ er im Papierkorb die Teeschale zerschellen. Unter dem Tisch holte er die blau schillernde Plastikthermoskanne und den bunten Hello Kitty Becher hervor, den seine Tochter ihm zum Geburtstag geschenkt hatte und trank hemmungslos einen ganzen Becher Kaffee -schwarz- auf Ex.